
Produktbücher für die Pause: Wie man im Liegestuhl klüger wird, ohne sich zu stressen
Eines der Geheimnisse, wie man wirklich viel lesen kann, ist ganz einfach: immer das passende Buch dabeihaben. Wir alle kennen das von den „Pflichtlektüren“ aus der Schule. Manche Romane sind einfach nicht zu verstehen, wenn einem das nötige Hintergrundwissen oder die emotionale Reife fehlen. Jedes Buch hat seine Zeit, und manche müssen einfach warten. Ich selbst habe jahrelang versucht, Nassim Talebs „Der Schwarze Schwan“ zu lesen und bin immer wieder über die ersten zwanzig Seiten gestolpert. Irgendwann ging es doch.
Fach- und Sachbücher sind als Feierabend- oder Urlaubslektüre oft nicht besonders attraktiv – und das ist absolut verständlich. Wenn man sich eine Auszeit gönnt, ist ein Buch, das inspiriert, entspannt oder in seinen Bann zieht, meist besser geeignet, um in den Flow-Modus zu kommen, als eine trockene Abhandlung über „Team Topologies“. Doch die gute Nachricht ist: Es gibt unzählige Bücher, die nicht nur trockene Begriffe vermitteln, sondern auch jede Menge inspirierende Geschichten und spannende Fallstudien erzählen. Sie lassen sich perfekt vor dem Einschlafen oder gemütlich im Liegestuhl auf einer sonnigen Terrasse weglesen.
Zum Beispiel denke man nur an Biographien von Walter Isaascon über Steve Jobs oder Elon Musk. Oder die verschlungen und komplizierte Geschichte hinter Netflix in “No rules rules” von Reed Hastings und Erin Meyer sowie die Entstehung von Nike in “Shoe Dog“ von Phil Knight. Das sind echte Heldengeschichten – spannend von Anfang bis zum Schluss.
Manche Bücher liefern nicht nur Aha-Momente, sondern stellen das eigene Denken auf den Kopf und bieten enorme berufliche Inspirationen.
„The Design of Everyday Things: Psychologie und Design der alltäglichen Dinge“ von Donald Norman
Dieses Buch wurde vor fast 30 Jahren veröffentlicht und inzwischen aktualisiert, hat aber nichts an Aktualität verloren. In einer früheren Ausgabe wurden noch “Dinge” beschrieben, die vielen heute nicht mehr geläufig sind (oder niemals waren, weil sie einfach zu amerikanisch sind). Das zentrale Problem, das Norman beschreibt, ist nach wie vor präsent: das Design vieler Gegenstände wird nicht für die Menschen gemacht, wie sie tatsächlich sind, sondern wie Ingenieure sie gern sehen möchten. Viele suchen den Fehler bei sich selbst. Don Norman dreht das Spiel um und erlaubt es, die Schuld an Bedienungsfehlern tatsächlich bei Designern und Ingenieuren zu suchen.
Was man daraus mitnimmt:
Sollte man das Glück haben, eine ältere Ausgabe zu finden, wird man eine Reihe amüsanter Anekdoten entdecken und erleichtert feststellen, wie sehr das Design und Funktionsweise vieler moderner Geräte deutlich besser geworden sind.
Man lernt außerdem die Grundlagen guten Designs kennen: wie man die Möglichkeiten eines Gegenstandes, Geräts oder einer Applikation eindeutig und sichtbar macht und wie Feedback die korrekte Bedienung bestätigt. Nach diesem Buch wird man die Welt kritischer betrachten: sie ist immer noch voll an “Dingern”, die nicht für die echten Menschen gemacht sind.
„Die Kreativitäts-AG. Wie man die unsichtbaren Kräfte überwindet, die echter Inspiration im Wege stehen“ von Ed Catmull
Mit Luxo Jr., Sheriff Woody und Buzz Lightyear verbinden sich bei mir warme Kindheitserinnerungen. Obwohl ich damals voll auf Zeichentrickfilme stand, die von Hand gemalt wurden, empfand ich die ersten computeranimierten Filme als atemberaubend. Ed Catmulls Buch nimmt uns mit auf die Reise durch die Geschichte von Pixar Animation Studios, dem Unternehmen hinter den Filmen wie “Toys Story”, “Die Monster AG”, “Fintet Nemo”, “Die Unglaublichen” und vielen anderen. Das eigentliche Ziel des Buches ist zu zeigen, wie der Schöpfungsprozess, der Prozess der Kreativität unterstützt werden kann. Ed Catmull vertritt die Meinung, dass jeder Mensch das Potenzial besitzt, kreativ zu sein. Doch gibt es viele Hindernisse, die diese Kreativität verhindern, und die zumindest in einem unternehmerischen Kontext durchaus beseitigt werden könnten
Warum das auch für Tech-Teams wichtig ist:
Das Buch zeigt uns, wie direkte Kommunikation, Offenheit und Transparenz eine Kultur im Unternehmen schaffen, in der Menschen auf Augenhöhe miteinander sprechen. Die Wichtigkeit der Reflexion über Probleme und Erfolge zur Weiterentwicklung wird hier deutlich. Wie eine richtige Fehlerkultur (”Wir sollten nicht versuchen, alle Fehler zu verhindern, sondern lieber davon ausgehen, dass unsere Leute die besten Absichten haben und Probleme lösen wollen, was fast immer der Fall ist.”) und sichere Umgebung geschaffen werden, sodass kühne Ideen entstehen und und entwickelt werden können: “Die richtigen Leute und die richtige Chemie sind wichtiger als die richtige Idee”.
Was bei Pixar funktioniert, funktioniert auch in Tech-Teams: Catmull macht klar, dass kreative Höchstleistungen kein Zufall sind, sondern Ergebnis einer bewusst gestalteten Kultur.
„Kreativ. Die Kunst zu sein“ von Rick Rubin
Die Kreativität wird als ein Privileg von KünstlerInnen verstanden. Menschen, die sich Musik, bildender Kunst, Theater oder Tanz widmen. Rick Rubin, ein Musikproduzent, der mit Red Hot Chili Peppers, Metallica, Johnny Cash, Shakira, Justin Timberlake, Jay Z und Linkin Park gearbeitet hat, postuliert in seinem Buch, dass jeder Mensch kreativ sein kann: in der Küche, im Garten oder am Basteltisch. Kreativität ist kein exklusives Gut, es ist eine Grundlage unseres Seins. Allein schon an dieser Haltung von Rubin bekommt man den Eindruck, dass das Buch schon ziemlich esoterisch angehaucht sein mag.
Aber dieses Buch ist eine Anleitung zum Produkt-Discovery-Prozess: zur Generierung von Ideen und der Entwicklung daraus eines Produktes im weitesten Sinne (das kann sowohl ein Lied als auch ein selbst gestrickter Pullover sein). Es ist eine Sammlung an Essays zu unterschiedlichen Aspekten des Schöpfungsprozesses in Berührung kommt und wie man damit als Künstler, Creator oder “Produktmensch” umgehen sollte, könnte: mit Rückschlägen, Ablenkungen, Zweifeln, fehlender Motivation, Aufrichtigkeit etc..
Was man daraus mitnimmt:
Das Buch ist sehr ruhig, fast meditativ. Es liefert keine Listen zum Abarbeiten, aber Erkenntnisse zur typischen Produktentwicklung (build-test-iterate), zur Zusammenarbeit mit anderen Menschen, zum Umgang mit eigenen Ressourcen und Grenzen. Aber auf eine sehr ruhige und indirekte Art. Dank ausgewählter Metaphern und eingesetzten sprachlichen Mitteln, kommt man schon beim Lesen (oder Zuhören) in den meditativen, nachdenklichen Flow.
Warum diese Produktbücher die idealen Begleiter für jede Pause sein könnten
Diese drei Bücher stammen aus unterschiedlichen Jahrzehnten, sind aber nach wie vor brandaktuell. Perfektes Design ist wichtig denn je. Die richtige Kultur ist genau so essentiell zum Überleben wie das nachhaltige Geschäftsmodell. Und die Kunst, kreativ zu sein, und kreative Prozesse aufzubauen, wird zum entscheidenden Differenzierungsfaktor für jedes Unternehmen. Diese Bücher können auf eine dezente Art eine Menge Inspirationen dazu liefern und uns klüger machen, ohne anstrengend zu sein.
