Im Grunde gut
Das Buch „Im Grund gut. Eine neue Geschichte von Menschheit“ von Rutger Bregman ist nicht die erste neue Geschichte der Menschheit, die in den letzten Jahren verlegt wurde. Für die Kombination „Eine Geschichte der Menschheit“ bietet Amazon mehr als 2000 Ergebnisse in der Kategorie „Bücher“ an. Die Bücher von Yoval Noah Harari sind natürlich in den Top-Ergebnissen.
In meinem Leben sind sie die ersten solcher Art gewesen und haben mir geholfen, die Wissensfetzen über die Menschheit, menschliche Gesellschaft und die so genannte Zivilisation zu einem stimmigen Bild zu bringen. Vom Bregmans Buch erhoffte ich mir eine neue Perspektive darauf zu gewinnen. Außerdem war das eine Empfehlung von Verena Pausder, einer unglaublich intelligenten, interessanten und energiegeladenen Wonderwoman.
Der Name des Buches bringt auch sofort ihre Wertung mit: es ist im Grunde gut.
- Es hat einen wissenschaftlichen Anspruch. Im Unterschied zu dem Wharton-Wunderknaben Adam Grant, der meine Aufmerksamkeit mit den fremden Namen von Genies aus Silicon Valley strapaziert, hat Rutger Bregman sein Werk mit famosen und vertrauten Philosophen und Wissenschaftlern bespickt: von Rousseau über Hannah Arendt bis Steven Pinker.
- Es ist etwas länger als die 250-Seiten, die aus meiner Erfahrung für ein populärwissenschaftliches Buch üblich sind. Aber es besteht aus kurzen Abschnitten, in welche der Autor immer wieder Teaser reinstreut, die auf das Ende des Kapitels oder auf die nächsten Kapitel verweist. Man bleibt also dabei.
- Es ist unterhaltsam. Es erzählt Geschichten: die meisten dieser Geschichten, die der Autor Rutger Bregman zur Untermalung seiner Thesen benutzt, waren mir auch neu.
Aber dieses Buch macht mich stutzig. Der Autor nimmt an, dass wir alle von unserer böshaften Natur überzeugt sind. Mit diesem Buch möchte er uns heldenhaft von dieser Überzeugung befreien. Von den ersten Seiten musste ich nur den Kopf schütteln. Wie kommt er darauf?
Vorerst zitiert der Autor den englischen Philosophen Thomas Hobbes und seine Fassadentheorie. Aber die wohl wahre Antwort auf diese Frage kommt nach etwa 100 Seiten: „<…> unsere Kultur von dem Mythos durchtränkt, dass es leicht sei, anderen Schmerz zuzufügen. Figuren wie Indiane Jones und Rambo…“. Dieser Ausschnitt sorgt bei mir für einen Gänsehautmoment: Herr Bregman und ich entstammen ganz offensichtlich ganz unterschiedlichen Kulturen. In meiner Kultur quälen sich Rodion Raskolnikov und Clyde Griffiths von Gedanken, jemanden Schmerz zuzufügen auf mehreren Hunderten Seiten. Die Kultur von Herrn Bregman wurde in Hollywood geschrieben…
Um sich davon zu überzeugen, wie falsch diese Annahme ist bzw. dass das Gegenteil die Wahrheit ist, braucht man keine wissenschaftlichen Studien oder Beweise von den fernliegenden Osterinseln. Man braucht auch das Buch von Rutger Bregman nicht.
Wir müssen uns nur umschauen, um festzustellen, von welchen großartigen Menschen wir umgeben sind. Tagein, tagaus helfen uns Menschen in allem, was wir tun, weil es in unserer Natur ist, den anderen zu helfen.
Und dennoch bleibe ich bei der Bewertung, dass das Buch von Rutger Bregman im Grunde gut ist: es bietet mir eine andere Perspektive auf die Menschheit. Und auch gibt es viele Menschen, die dieses Buch gebrauchen könnten. Die, die aus der Kultur von Rutger Bregman sozialisiert wurden.
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