Frauenliteratur

  • Buchrezension,  Frauenliteratur

    Das Liebespaar des Jahrhunderts, das wir verdient haben

    Der Titel “Das Liebespaar des Jahrhunderts” klang vielversprechend. Noch dazu war es eine Empfehlung von Benedict Wells aus seinem Buch “Die Geschichten in uns”. Ich erwartete eine leidenschaftliche, aufopfernde Liebesgeschichte ähnlich wie bei Romeo und Julia, Tristan und Isolde, Natasha Rostova und Andrej Bolkonsky, Mr. Darcy und Elizabeth Bennet, Scarlett O’Hara und Rhett Buttler. Tatsächlich musste ich zu Beginn sehr lange nachdenken, ob es sich vielleicht um eine Geschichte im Stil der “New York Trilogie” von Paul Auster handelt: jederzeit könnte ein Teufelchen aus den Zeilen springen und die ganze Welt von Schochs Liebenden auf den Kopf stellen. Aber nein, Julia Schoch meint es wirklich ernst: sie beschreibt eine Beziehung…

  • Buchrezension,  Frauenliteratur,  Heldenreise,  Perspektiven

    “Becoming” nach Elke Heidenreich oder “Hier geht’s lang!”

    Wenn Elke Heidenreich ein Buch veröffentlicht, dann ist es immer zumindest lesenswert. Wenn Elke Heidenreich außerdem Geschichten aus ihrem Leben erzählt, dann ist es immer faszinierend. Schon bei “Ihr glücklichen Augen” fragte ich mich, wie ein Mensch das alles in einem Leben erleben kann. In “Hier geht’s lang!” nimmt Frau Heidenreich uns mit auf ihre ganz persönliche literarische Reise durch die einzelnen Stationen ihres Lebens und die Bücher, die sie dabei begleiteten. Es ist nicht nur eine Reise, es ist auch die Geschichte ihres Werdegangs als Leserin, als Schriftstellerin, als Botschafterin des Wortes, als kreative Persönlichkeit. Das gesamte Buch ist voller von Zitaten über den Sinn und die Schönheit des…

  • Buchrezension,  Frauenliteratur,  Perspektiven

    Über die Horrorgeschichten, das Schweigen und die Stimmen von Frauen

    Als Teenager las ich sehr gern Horrorgeschichten, vorzugsweise die von Stephen King. Ich verschlang alles, was die Stadtbücherei hergab: “Friedhof der Kuscheltiere”, “Carrie”, “Christine”, “In einer kleinen Stadt” und natürlich “Es”. Meistens fehlten mir die kulturellen Hintergründe, um die Probleme nachzuvollziehen, die King thematisierte. Das minderte aber den Gruselfaktor seiner Geschichten nicht. Nach King machte ich noch eine kurze Bekanntschaft mit dem Meister des Gruselgenres Edgar Allan Poe und hatte nicht mehr vor, dieses Lesekapitel für mich wieder aufzumachen. Bis auf den grauen Herbsttag , an dem ich das Buch “Unsichtbare Frauen” von Caroline Criado-Perez aufschlug… Aufgrund des Titelzusatzes “Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert”…

  • Buchrezension,  Frauenliteratur,  Heldenreise,  Leseinspiration,  Romane

    Paradise Garden, ein HeldInnenepos

    Es gibt nicht so viele Geschichten, in welchen ein junges Mädchen ihre HeldInnenreise antritt und nach vielen Ereignissen viel weiser in einer neuen Lebensphase ankommt. “Paradise Garden” von Elena Fischer ist eine von ihnen. Die 14-jährige Billie wohnt mit ihrer ungarischen Mutter in einer Hochhaussiedlung am Rande einer Großstadt. Anfangs ist der einzige Traum von Billie, in einen “richtigen” Urlaub zu fahren. Die Mutter von Billie, Marika, hat dagegen viele Träume: aus ihrem ungarischen Dorf auszubrechen, Balletttänzerin zu werden, nach Florida zu reisen, einfach frei zu sein. Was diese Freiheit für sie bedeutet, wird klar, sobald ihre Mutter die Geschichte betrifft und die Idylle der kleinen Familie und auch die…

  • Bibliothek ungelesener Bücher,  Frauenliteratur,  Leseinspiration,  Personal Growth,  Perspektiven

    55 Perspektiven: über das Lesen

    55 war meine persönliche Zahl des Jahres 2022 und die größte Anzahl an Büchern, die ich in diesem Jahr verschlang: als eBook in einer vollen S-Bahn, als Einband an einem Wochenendnachmittag oder als Hörbuch beim Laufen oder Haushaltsarbeit. Im Jahre 2023 werden es wohl um die 50 sein. Diese Zahlen zu erreicht ist kein Selbstzweck. Auf meiner “Ziele 2022”-Liste stand eine Zahl von 20, die ich bereits im Mai jenes Jahres erreicht habe. In diesem Jahr gehörte das Erhöhen des Lesevolumens nicht zu meinen Zielen. Diese Zahlen entstanden spontan. Sie sind aber auch das Ergebnis eines atomaren Prozesses der Etablierung einer Gewohnheit: der Gewohnheit zum Lesen. In den Jahren davor…

  • Frauenliteratur,  Heldenreise,  Romane

    Das mangelnde Licht

    In den frühen 90ern mangelte es in Georgien an Licht und Wärme. Kerzen, Kerosinlampen, Stromgeneratoren und Kanonenöfen sind in die Wohnungen tausender Leute eingezogen. Gekocht wurde auf dem Lagerfeuer vor einem Plattenbau. Geheizt wurde mit dem Holz aus einem naheliegenden Park. Gelebt wurde von der Hand in den Mund und von der Hoffnung über das bessere Leben. Unter diesen Bedingungen, die uns im gemütlichen Deutschland des 21. Jahrhunderts fast den Höhlenzeiten gleich vorkommen könnten, lässt Nino Haratischwili ihre Heldinnen Qeto, Dina, Nene und Ira im Roman „Das mangelnde Licht“ aufwachsen. Für ihre anderen Bücher wird die Autorin als Vertreterin des magischen Realismus gefeiert. In der Aufführung des „mangelnden Lichts“ am Hamburger Thalia-Theater…

  • Bibliothek ungelesener Bücher,  Frauenliteratur

    Das Wissen des Abendlandes

    Seit einigen Jahren schmückt das Buch von Richard Tarnas mein Regal ungelesener Bücher. Auf dem Cover ist Isaac Newton in der Interpretation von William Blake:  mit einem Kopf, der wie einer anderen Person abgeschnitten ist, und mit definierten Muskeln an den Körperstellen, wo Menschen rein biologisch keine Muskeln haben können. Ich blättere immer wieder gern darin, traue mir aber das Lesen dieses knapp 600-seitigen Monolithen nicht zu. Die Grundlagen sind mir bekannt: aus den Seminaren über die antike Literatur und die Literatur der Moderne, aus Philosophie-Kursen und Kunstbüchern. Unsere abendländliche Kultur wurde von einer Handvoll Namen geprägt, die jeder zumindest ein Mal in seinem Leben gehört hat: In dem zwanzigseitigen…