Heldenreise
-
“Becoming” nach Elke Heidenreich oder “Hier geht’s lang!”
Wenn Elke Heidenreich ein Buch veröffentlicht, dann ist es immer zumindest lesenswert. Wenn Elke Heidenreich außerdem Geschichten aus ihrem Leben erzählt, dann ist es immer faszinierend. Schon bei “Ihr glücklichen Augen” fragte ich mich, wie ein Mensch das alles in einem Leben erleben kann. In “Hier geht’s lang!” nimmt Frau Heidenreich uns mit auf ihre ganz persönliche literarische Reise durch die einzelnen Stationen ihres Lebens und die Bücher, die sie dabei begleiteten. Es ist nicht nur eine Reise, es ist auch die Geschichte ihres Werdegangs als Leserin, als Schriftstellerin, als Botschafterin des Wortes, als kreative Persönlichkeit. Das gesamte Buch ist voller von Zitaten über den Sinn und die Schönheit des…
-
Über das Schreiben und “Die Geschichten in uns” von Benedict Wells
Es sind selten Romane, die meine Liste streifen. Und in den letzten Jahren sind es noch seltener Romane männlicher Autoren. Daher kenne ich keine der Geschichten von Benedict Wells. Da mich der kreative Prozess beim Entstehen von Geschichten fasziniert, griff ich dennoch nach seinem neuesten Buch über das Schreiben: „Die Geschichten in uns“. Das Buch erinnert stark an “Das Leben und das Schreiben” von Stephen King. Es ist fast eine “Abkupferung”: den ersten Teil widmete Wells seiner eigenen Vita, im zweiten Teil stellte er seinen schriftstellerischen Werkzeugkasten vor. Selbst die Passage über die Dauer des Schreibens dieses Buches und die Schwierigkeiten, die er dabei hatte, schien mir fast wie eine…
-
25 letzte Sommer oder wir brauchen einen neuen Holden Caulfield
Diese kurze Erzählung mit dem poetischen Titel “25 letzte Sommer” von Stephan Schäfer schneidet einige gesellschaftlich wichtige Themen an. Ein besonders rührendes war für mich das Schließen von Freundschaften im erwachsenen Alter. Es ist eine klassische Heldenreise-Geschichte: ein müder und zermarterter Protagonist trifft auf einen alten Weisen, geht zu ihm in die Lehre, erfährt eine Offenbarung und kehrt erneuert zu seinen Penaten zurück. Wenn es in dieser Geschichte eine neue Auflage von Holden Caulfield in seiner Gen Z-Version gäbe, der sich mit Verwunderung durch die Straßen irrt und sich über unseren Umgang mit Smartphones (statt über die Schwulen) auskotzt, wäre die ganze Erzählung originell. Wir brauchen einen neuen Helden, der…
-
Paradise Garden, ein HeldInnenepos
Es gibt nicht so viele Geschichten, in welchen ein junges Mädchen ihre HeldInnenreise antritt und nach vielen Ereignissen viel weiser in einer neuen Lebensphase ankommt. “Paradise Garden” von Elena Fischer ist eine von ihnen. Die 14-jährige Billie wohnt mit ihrer ungarischen Mutter in einer Hochhaussiedlung am Rande einer Großstadt. Anfangs ist der einzige Traum von Billie, in einen “richtigen” Urlaub zu fahren. Die Mutter von Billie, Marika, hat dagegen viele Träume: aus ihrem ungarischen Dorf auszubrechen, Balletttänzerin zu werden, nach Florida zu reisen, einfach frei zu sein. Was diese Freiheit für sie bedeutet, wird klar, sobald ihre Mutter die Geschichte betrifft und die Idylle der kleinen Familie und auch die…
-
Innovation requires articulation: Der Musk-Algorithmus
Wenn Walter Isaacson eine Biographie schreibt, dann ist diese Person entweder bereits tot oder dem Tode geweiht ist. Okay, das war jetzt ein sehr schlechter Witz. Und dennoch ist Elon Musk im Moment die einzige lebende Person, über welche Isaacson eine umfangreiche Biografie verfasste. Musk ist eine sehr umstrittene Person, die durch kontroverse Handlungen regelmäßig von der Presse beklatscht wird. Marihuana-Zug bei Joe Rogan, Waschbecken-Affäre in der Twitter-Zentrale, exzentrisches Beschimpfen von abtrünnigen Werbekunden von X: das sind die News, die mir zu Musk sofort einfallen. Die Nächte auf den Böden seiner Tesla-Fabriken, die Startrampen für Raketen „aus dem Müll“ und die Hintergründe der Familienplanung (Musk hat neun Kinder mit verschiedenen…
-
Dune und die Visionen über die Zukunft
Die Aufregung um den zweiten Teil der jüngsten Dune-Verfilmung ließ mich nicht kalt. Da meine Reaktion auf den ersten Teil absolutes Missverständnis war, beschloss ich, mich auf den zweiten besser vorzubereiten und das Original von Frank Herbert kennen zu lernen. Zwar ist Dune ein Zukunftsepos, ist es aus der Perspektive der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts geschrieben: In diesem Kontext versucht Frank Herbert in seinem Roman Antworten auf die ewigen philosophischen Fragen über die Macht, die Bedeutung der Religion und die Verantwortung gegenüber unserer Umwelt zu geben. Wie sieht nun unsere Zukunft nach Herbert aus? Die Zukunft ist dürr. Spuken als Begrüßungsritual, das Wasser als Währung, Wiedergewinnung des Wassers aus…
-
Kreativität: Feenstaub vs. harte Arbeit
Vor etwa einer Woche bin ich meinen ersten Halbmarathon gelaufen und trotz der ungewöhnlichen Hitze zu dieser Jahreszeit in Norddeutschland konnte ich meine Erwartungen erfüllen. Anschließend bekam ich positive Rückmeldungen und Gratulationen zu meiner Leistung. Ich empfand sie für mich allerdings als etwas fast gewöhnliches. Nach Jahren des regulären Trainings war das für mich der logische nächste Schritt. Vielleicht war das Erscheinen am Start an einem Sonntag um neun Uhr die größte Herausforderung am Ganzen. Während meiner letzten Vorbereitungen vor dem großen Tag wurde ich von Adam Grant begleitet (mittlerweile die Hälfte meiner Bücher beziehe ich über das Thalia Hörbuch-Abo). Sein Buch “Originals” (in der deutschen Übersetzung wurde es erstaunlicherweise…
-
Das mangelnde Licht
In den frühen 90ern mangelte es in Georgien an Licht und Wärme. Kerzen, Kerosinlampen, Stromgeneratoren und Kanonenöfen sind in die Wohnungen tausender Leute eingezogen. Gekocht wurde auf dem Lagerfeuer vor einem Plattenbau. Geheizt wurde mit dem Holz aus einem naheliegenden Park. Gelebt wurde von der Hand in den Mund und von der Hoffnung über das bessere Leben. Unter diesen Bedingungen, die uns im gemütlichen Deutschland des 21. Jahrhunderts fast den Höhlenzeiten gleich vorkommen könnten, lässt Nino Haratischwili ihre Heldinnen Qeto, Dina, Nene und Ira im Roman „Das mangelnde Licht“ aufwachsen. Für ihre anderen Bücher wird die Autorin als Vertreterin des magischen Realismus gefeiert. In der Aufführung des „mangelnden Lichts“ am Hamburger Thalia-Theater…
-
Die Heldenreise: 2000 Jahre später
Eine Heldenreise ist ein Erzählmotiv, das wir vor allem aus den griechischen Mythen kennen. Sie wird auch als Monomythos bezeichnet. Der Begriff entstammt der Autor der größten Odyssee des 20. Jahrhunderts James Joyes. (Sein Ulysses wartet ebenfalls auf seine Sternstunde in meinem Regal ungelesener Bücher.) Der Monomythos wurde als Konzept nach dem zweiten Weltkrieg vom amerikanischen Mythenforscher Joseph Campbell durch sein Buch „Der Heros in tausend Gestalten“ popularisiert. Die Heldenreise bildet die Grundlage in der Filmreihe „Star Wars“ von George Lukas. Aber auch basieren die Suche von Frodo, die Kämpfe von Neo, die Abenteuer von Simba und die Lehrjahre von Harry Potter ebenfalls auf diesem Motiv. Der Kern der Heldenreise…