Leseinspiration
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Produktbücher für die Pause: Wie man im Liegestuhl klüger wird, ohne sich zu stressen
Eines der Geheimnisse, wie man wirklich viel lesen kann, ist ganz einfach: immer das passende Buch dabeihaben. Wir alle kennen das von den „Pflichtlektüren“ aus der Schule. Manche Romane sind einfach nicht zu verstehen, wenn einem das nötige Hintergrundwissen oder die emotionale Reife fehlen. Jedes Buch hat seine Zeit, und manche müssen einfach warten. Ich selbst habe jahrelang versucht, Nassim Talebs „Der Schwarze Schwan“ zu lesen und bin immer wieder über die ersten zwanzig Seiten gestolpert. Irgendwann ging es doch. Fach- und Sachbücher sind als Feierabend- oder Urlaubslektüre oft nicht besonders attraktiv – und das ist absolut verständlich. Wenn man sich eine Auszeit gönnt, ist ein Buch, das inspiriert, entspannt…
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Lesen ohne Kontext: Über die Enttäuschung und den Gewinn von Intermezzo
Mein Germanistikstudium ging mit unzähligen Semestern der westeuropäischen Literatur einher. Irgendwann mussten wir an “Germinal” von Émile Zola ran. Und da ich Germanistik studierte und offensichtlich in Geschichte nicht gut genug aufgepasst hatte, ackerte ich mich durch die 400 Seiten mit der Frage “Wann kommt Germinal?” Ich war nicht die einzige, die enttäuscht war, dass der Germinal doch nicht gekommen ist. Irgendwann klärten die Romanistik-Studierenden unsere Verwirrung auf: als Germinal bezeichnete man in Frankreich nach der großen Revolution den Monat März. In diesem Monat ereigneten sich die Geschehnisse im Roman von Zola. In meinem Leben war das das beste Beispiel über die Sinnlosigkeit des Lesens, wenn man sich mit dem…
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Über die Gewalt der Sprache: wenn es nur ein Buch in diesem Jahr sein darf
Ich halte nichts von Sport, den ich nicht selbst machen kann. In meiner Rolle als Mutter bin ich aber gern dabei: sowohl am Spielfeldrand als auch im Stadion. So wie beim HSV-Heimspiel der Saison 23/24. Unsere Jungs waren Feuer und Flamme: Sie himmelten die Fußballspieler an, schmissen ihre Schals in die Luft beim Tor und sangen die Hymne des Vereins mit. Ihres Vereins! Es war eine herrlich ansteckende Partystimmung, bis dieses Plakat aufkam: irgendwas mit “Müttern” und einer Obszönität. Gerichtet offensichtlich an die Fans der gegnerischen Mannschaft, aber eigentlich gegen ALLE Mütter, die in diesem Moment im Stadion waren und ihren Kindern etwas von dieser Stimmung kosten lassen und von…
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25 letzte Sommer oder wir brauchen einen neuen Holden Caulfield
Diese kurze Erzählung mit dem poetischen Titel “25 letzte Sommer” von Stephan Schäfer schneidet einige gesellschaftlich wichtige Themen an. Ein besonders rührendes war für mich das Schließen von Freundschaften im erwachsenen Alter. Es ist eine klassische Heldenreise-Geschichte: ein müder und zermarterter Protagonist trifft auf einen alten Weisen, geht zu ihm in die Lehre, erfährt eine Offenbarung und kehrt erneuert zu seinen Penaten zurück. Wenn es in dieser Geschichte eine neue Auflage von Holden Caulfield in seiner Gen Z-Version gäbe, der sich mit Verwunderung durch die Straßen irrt und sich über unseren Umgang mit Smartphones (statt über die Schwulen) auskotzt, wäre die ganze Erzählung originell. Wir brauchen einen neuen Helden, der…
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Paradise Garden, ein HeldInnenepos
Es gibt nicht so viele Geschichten, in welchen ein junges Mädchen ihre HeldInnenreise antritt und nach vielen Ereignissen viel weiser in einer neuen Lebensphase ankommt. “Paradise Garden” von Elena Fischer ist eine von ihnen. Die 14-jährige Billie wohnt mit ihrer ungarischen Mutter in einer Hochhaussiedlung am Rande einer Großstadt. Anfangs ist der einzige Traum von Billie, in einen “richtigen” Urlaub zu fahren. Die Mutter von Billie, Marika, hat dagegen viele Träume: aus ihrem ungarischen Dorf auszubrechen, Balletttänzerin zu werden, nach Florida zu reisen, einfach frei zu sein. Was diese Freiheit für sie bedeutet, wird klar, sobald ihre Mutter die Geschichte betrifft und die Idylle der kleinen Familie und auch die…
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Dune und die Visionen über die Zukunft
Die Aufregung um den zweiten Teil der jüngsten Dune-Verfilmung ließ mich nicht kalt. Da meine Reaktion auf den ersten Teil absolutes Missverständnis war, beschloss ich, mich auf den zweiten besser vorzubereiten und das Original von Frank Herbert kennen zu lernen. Zwar ist Dune ein Zukunftsepos, ist es aus der Perspektive der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts geschrieben: In diesem Kontext versucht Frank Herbert in seinem Roman Antworten auf die ewigen philosophischen Fragen über die Macht, die Bedeutung der Religion und die Verantwortung gegenüber unserer Umwelt zu geben. Wie sieht nun unsere Zukunft nach Herbert aus? Die Zukunft ist dürr. Spuken als Begrüßungsritual, das Wasser als Währung, Wiedergewinnung des Wassers aus…
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55 Perspektiven: über das Lesen
55 war meine persönliche Zahl des Jahres 2022 und die größte Anzahl an Büchern, die ich in diesem Jahr verschlang: als eBook in einer vollen S-Bahn, als Einband an einem Wochenendnachmittag oder als Hörbuch beim Laufen oder Haushaltsarbeit. Im Jahre 2023 werden es wohl um die 50 sein. Diese Zahlen zu erreicht ist kein Selbstzweck. Auf meiner “Ziele 2022”-Liste stand eine Zahl von 20, die ich bereits im Mai jenes Jahres erreicht habe. In diesem Jahr gehörte das Erhöhen des Lesevolumens nicht zu meinen Zielen. Diese Zahlen entstanden spontan. Sie sind aber auch das Ergebnis eines atomaren Prozesses der Etablierung einer Gewohnheit: der Gewohnheit zum Lesen. In den Jahren davor…
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Zusammen Lesen in der Lichterzeit
Seit Anfang November herrschte in unserer Familie ein reges Durcheinander. Meine Kinder machten sich Sorgen die Weihnachtszeit zu verpassen: “Bald ist Weihnachten und wir haben noch nicht geschmückt!” “Wir müssen einen Adventskranz basteln und die Kerzen kaufen!” “Der Stern und die Lichterkette müssen draußen aufgehängt werden!” “Ich hole den Adventskalender aus dem Keller!” Dabei hatten wir noch nicht mal die Gummispinnen weggeräumt, die als Halloween-Deko an der Tür hingen. Und zudem wollte ich die Weihnachtsstimmungsmacherei vorerst Drogerien und Garten-Centern überlassen. “Lasst uns alle Weihnachtsbücher zusammensuchen, die wir haben, und wir lesen schon mal was zusammen!” schlug ich vor. Jeder suchte in seinen Regalen, sodass in 30 Minuten eine Stapel mit…
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Lesemotivation für kleine Lesemuffel
Ich liebe To-do-Listen. Sie helfen dabei, den Tee rechtzeitig nachzubestellen, aber erinnern mich auch täglich daran, michg ans Klavier zu setzen. So kann ich das Dringlichste noch rechtzeitig erledigen und mir die Zeit für das Wichtigste nehmen. Dieses Instrument fand ich als hilfreich, meinen Kindern die Gewohnheit zum Lesen beizubringen. Aber im Unterschied zu den einfachen Bullets-Listen, die wir als Erwachsene aus Notizbüchern oder Productivity-Apps kennen, musste diese To-do-Liste attraktiv und auf Bedürfnisse und Interessen des Kindes angepasst werden. Außerdem sollte die To-do-Liste kurz und überschaubar sein, sodass die ersten Erfolge schnell gefeiert werden können. So entwarf ich das erste Leseplakat, das inhaltlich und visuell zu meinem Kind passte. Dieses…