Perspektiven

  • Am Ende von Jean-Remy von Matt Cover
    Innovation,  Kreativität,  Männerliteratur,  Perspektiven

    Kreativität macht den Unterschied. Am Ende.

    Ich schreibe häufig darüber, dass jeder Mensch eine kreative Person ist. In der Werbebranche wird der Begriff “Kreative(r)” als Berufsbezeichnung für Texter, Copywriter und Designer verwendet. Aber wann wurde Werbung eigentlich zu einem kreativen Beruf? Ein Fahrradrad auf einem Podest, ein Kilo Fett in einer Zimmerecke, eine Banane an der Wand, geklebt mit grauem Tape: das sind alles Kunstobjekte der letzten 100 Jahre. Sie zeigen: Eine Idee kann Kunst sein, jeder Mensch kann kreativ sein. Und es ist nicht verwerflich, die Konsumwelt zur Kunst zu erklären. Schließlich schaffte es Andy Warhol mit der Werbung für Suppendosen zu seiner ersten Ausstellung als Künstler. War das der Moment, in dem Werbung zur…

  • Buchcover Das Jahr der Wunder von Melanie Raabe
    Innovation,  Kreativität,  Perspektiven

    Kreativität ist kein Luxus: Sie ist Überlebensstrategie

    Kennt ihr die Geschichte von “Anne auf Green Gables”? Ein Waisenkind wird von einer Familie auf einen Bauernhof als kostenlose Arbeitskraft “bestellt”. Statt eines Jungen wie gewünscht kommt ein Mädchen mit einer ungezähmten Fantasie: Sie erfindet für alles einen neuen Namen und versteht nicht, warum die anderen keinen Spaß daran finden. Ein Kind, das nichts hat, findet einen Weg für seine Kreativität und für die Neugestaltung der Welt. Ihr Umfeld ist allerdings von ihrer Art genervt. Genau so wie viele Führungskräfte, die genervt reagieren, wenn jemand mit seinen Ideen aus der Reihe tanzt. Vor fünf Jahren tauchte die COVID-Pandemie unsere Welt in eine Ausnahmesituation ein und sorgte für eine Menge…

  • Cover von Wenn die letzte Frau den Raum verlässt
    Buchrezension,  Frauenliteratur,  Männerliteratur,  Perspektiven

    Nur gute Ideen reichen nicht oder warum wir Männer oft nicht erreichen, wenn wir über Gleichberechtigung reden

    Vor Jahren wollte ich das Schlafzimmer in einem dezenten Lavendelblau streichen. Doch damals wusste ich nicht, dass Wändestreichen tückischer sein kann, als man denkt. So wurde das Schlafzimmer pink, fast genau wie die Farbe auf dem Cover des Buches “Wenn die letzte Frau den Raum verlässt” von Vincent-Immanuel Herr und Martin Speer. Unser Nachfolger wollte das Schlafzimmer dann schwarz anstreichen. Wahrscheinlich hatte er Angst, vor seinen Freunden mit diesem Farbton als “nicht männlich” dazustehen. Ein “Exterieur” eines Produkts in rosa Tönen ist nicht “jeder Manns” Sache. Tappt der Verlag hier in dieselbe Falle wie viele Start-ups, die ihr Produkt eher für sich selbst gestalten, statt für die Zielgruppe? Okay, mich…

  • Buch Hidden Potential mit einem Team aus Lego Figuren darauf
    Innovation,  Perspektiven,  Produktentwicklung

    Was erfolgreiche Teams ausmacht: Von Fußballern, Nobelpreisträgerinnen und Hidden Potentials

    Das sind also Teams, die laut Walter Isaacson und Bent Flyvbjerg bahnbrechende Innovationen hervorbringen und Megaprojekte erfolgreich umsetzen. Beide Autoren betonen die Wichtigkeit der Zielidentifikation und der klaren Zielsetzung, die vor dem Team formuliert wird. In seinem späteren Buch The Code-Breaker illustriert Isaacson diese These anhand des Beispiels von Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier. Gemeinsam erhielten sie 2020 den Nobelpreis in Chemie für die Entwicklung der CRISPR/Cas9-Technologie – einer Methode zur Genom-Editierung, die oft als "Genschere" bezeichnet wird. Zum Zeitpunkt der Auszeichnung unterhielten sich die beiden Preisträgerinnen kaum: Nach Abschluss ihres Projekts fehlte eine gemeinsame Mission, die sie weiter verbunden hätte. Sie drifteten in ihren wissenschaftlichen Interessen auseinander und verpassten…

  • Buchrezension,  Perspektiven,  Romane

    Lesen ohne Kontext: Über die Enttäuschung und den Gewinn von Intermezzo

    Mein Germanistikstudium ging mit unzähligen Semestern der westeuropäischen Literatur einher. Irgendwann mussten wir an “Germinal” von Émile Zola ran. Und da ich Germanistik studierte und offensichtlich in Geschichte nicht gut genug aufgepasst hatte, ackerte ich mich durch die 400 Seiten mit der Frage “Wann kommt Germinal?” Ich war nicht die einzige, die enttäuscht war, dass der Germinal doch nicht gekommen ist. Irgendwann klärten die Romanistik-Studierenden unsere Verwirrung auf: als Germinal bezeichnete man in Frankreich nach der großen Revolution den Monat März. In diesem Monat ereigneten sich die Geschehnisse im Roman von Zola. In meinem Leben war das das beste Beispiel über die Sinnlosigkeit des Lesens, wenn man sich mit dem…

  • Buchrezension,  Personal Growth,  Perspektiven

    Moralische Ambition: “Hören Sie auf, Ihr Talent zu vergeuden!”

    Wir wollten nur kurz die Welt retten. Damals. In meiner Studienzeit wurde ich von jungen Menschen umgeben, die an einer Vielzahl gemeinnütziger Programme teilnahmen: Englisch in Lateinamerika unterrichten, Moore in Österreich befeuchten, Plastik aus den Meeren fischen. Sie rissen sich aus ihrem “normalen” Leben, wurden mit dem Alltag von Milliarden anderer Menschen auf dieser Welt konfrontiert und entwickelten ihre moralischen Ambitionen, wie man diese Welt verbessern und das Leid verringern kann. Heute bin ich von Erwachsenen umgeben, die ihre Erwerbstätigkeit reduzieren, zusätzliche Urlaubstage verhandeln und am liebsten aus dem informationsüberlasteten Alltag auf die einsamen Hütten in Südschweden oder geschlossene Hotelanlagen in Spanien “escapen”. Sie reißen sich aus ihrem “normalen” Leben,…

  • Buchrezension,  Frauenliteratur,  Heldenreise,  Perspektiven

    “Becoming” nach Elke Heidenreich oder “Hier geht’s lang!”

    Wenn Elke Heidenreich ein Buch veröffentlicht, dann ist es immer zumindest lesenswert. Wenn Elke Heidenreich außerdem Geschichten aus ihrem Leben erzählt, dann ist es immer faszinierend. Schon bei “Ihr glücklichen Augen” fragte ich mich, wie ein Mensch das alles in einem Leben erleben kann. In “Hier geht’s lang!” nimmt Frau Heidenreich uns mit auf ihre ganz persönliche literarische Reise durch die einzelnen Stationen ihres Lebens und die Bücher, die sie dabei begleiteten. Es ist nicht nur eine Reise, es ist auch die Geschichte ihres Werdegangs als Leserin, als Schriftstellerin, als Botschafterin des Wortes, als kreative Persönlichkeit. Das gesamte Buch ist voller von Zitaten über den Sinn und die Schönheit des…

  • Buchrezension,  Frauenliteratur,  Perspektiven

    Über die Horrorgeschichten, das Schweigen und die Stimmen von Frauen

    Als Teenager las ich sehr gern Horrorgeschichten, vorzugsweise die von Stephen King. Ich verschlang alles, was die Stadtbücherei hergab: “Friedhof der Kuscheltiere”, “Carrie”, “Christine”, “In einer kleinen Stadt” und natürlich “Es”. Meistens fehlten mir die kulturellen Hintergründe, um die Probleme nachzuvollziehen, die King thematisierte. Das minderte aber den Gruselfaktor seiner Geschichten nicht. Nach King machte ich noch eine kurze Bekanntschaft mit dem Meister des Gruselgenres Edgar Allan Poe und hatte nicht mehr vor, dieses Lesekapitel für mich wieder aufzumachen. Bis auf den grauen Herbsttag , an dem ich das Buch “Unsichtbare Frauen” von Caroline Criado-Perez aufschlug… Aufgrund des Titelzusatzes “Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert”…

  • Buchrezension,  Leseinspiration,  Personal Growth,  Perspektiven,  Psychologie

    Über die Gewalt der Sprache: wenn es nur ein Buch in diesem Jahr sein darf

    Ich halte nichts von Sport, den ich nicht selbst machen kann. In meiner Rolle als Mutter bin ich aber gern dabei: sowohl am Spielfeldrand als auch im Stadion. So wie beim HSV-Heimspiel der Saison 23/24. Unsere Jungs waren Feuer und Flamme: Sie himmelten die Fußballspieler an, schmissen ihre Schals in die Luft beim Tor und sangen die Hymne des Vereins mit. Ihres Vereins! Es war eine herrlich ansteckende Partystimmung, bis dieses Plakat aufkam: irgendwas mit “Müttern” und einer Obszönität. Gerichtet offensichtlich an die Fans der gegnerischen Mannschaft, aber eigentlich gegen ALLE Mütter, die in diesem Moment im Stadion waren und ihren Kindern etwas von dieser Stimmung kosten lassen und von…