
Dune und die Visionen über die Zukunft
Die Aufregung um den zweiten Teil der jüngsten Dune-Verfilmung ließ mich nicht kalt. Da meine Reaktion auf den ersten Teil absolutes Missverständnis war, beschloss ich, mich auf den zweiten besser vorzubereiten und das Original von Frank Herbert kennen zu lernen.
Zwar ist Dune ein Zukunftsepos, ist es aus der Perspektive der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts geschrieben:
- Der Kalte Kriegt ist voll im Gange.
- Die Rolle der Frau und ihr Recht auf die Selbstbestimmung werden neu definiert.
- Die Jugend, enttäuscht von der Generation ihrer Väter und der westlichen Kultur, sucht nach Alternativen im Osten und experimentiert mit Drogen.
- Rachel Carsons veröffentlicht “Der stumme Frühling” und läutet den Beginn der modernen Ökobewegung ein.
In diesem Kontext versucht Frank Herbert in seinem Roman Antworten auf die ewigen philosophischen Fragen über die Macht, die Bedeutung der Religion und die Verantwortung gegenüber unserer Umwelt zu geben.
Wie sieht nun unsere Zukunft nach Herbert aus?
Die Zukunft ist dürr. Spuken als Begrüßungsritual, das Wasser als Währung, Wiedergewinnung des Wassers aus dem eigenen Körper als Normalität, die Begrünung der Wüste als eine große Zukunftsvision. Aus der heutigen Perspektive sollte der Roman für uns eine Vorwarnung sein, dass wir mit unserem Planeten besser haushalten müssen, um das Schicksal von Arrakis zu vermeiden.
Die Zukunft ist frauenfeindlich. Herbert besiedelt seine Welt mit außerordentlichen Frauen mit außerordentlichen Fähigkeiten. Sie werden dennoch als Verbrauchsmaterial gesehen und sind einem Mann nicht gleichgestellt. Die Szene des Kampfes zwischen Stilgar und Lady Jessica zeigt, dass eine Frau selbst ihre Lebenswürdigkeit auf eine männliche Art und Weise beweisen muss: durch Gewalt.
Die Zukunft ist im Rausch. Die Menschen nehmen Drogen zu sich und mutieren nur, statt einen qualvollen Tod zu sterben. Die Sucht danach wird zwar anerkannt, aber nicht verurteilt. Der Drogenkonsum ist eine Normalität, wie es eben in den USA der 60er Jahre gewesen ist: das Internet ist z.B. bunt von den Geschichten darüber, wie John Kennedy seine Rückenschmerzen mit Drogencoctails linderte und seine Frau ihre Depressionen bekämpfte.
Die Technik der Zukunft ist menschenfeindlich. Nach Herbert läuft in 8000 Jahren keiner mit eingepflanzten Chips im Gehirn oder zumindest mit einer Brille auf dem Kopf. Die Singularität ist nicht überwunden. Dafür spielen Waffen eine sehr große Rolle und sind ein Zeichen der Macht. Jeder kann ein Abwehrschild um sich haben, der ihn vom Tode bewahrt. Und der Stamm Arteides besitzen sogar “Familienatomwaffen”. Wie war das zu den Zeiten von Herbert? Genau so: die Technik spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Kriegsführung, aber es gab noch keine Hausahlte, die eine Waschmaschine oder ein Kühlschrank besaßen. Wozu auch? Ist letztendlich nur „Frauenzeug“.
Die Zukunft ist nicht friedlich. Es wird gekämpft: um die Ressourcen, um die Macht, um das Recht zu haben, um des Rechten willen. Die Mentalität von Bewohnern der Herberts Welt ist durch die Gewalt gekennzeichnet:
- Mit dem Nächsten bis zum Tod zu kämpfen? – Kein Problem!
- Ein vierjähriges Kind mit einem Messer auf die Feinde zu lassen? – Es ist eben seine Pflicht für das eigene Land. Und auch ist die Sklaverei nach Herbert ein durchaus zukunftsfähiges Modell.
- Den liebsten Menschen zu verraten? – Warum nicht?
Nein, die Zukunft wird nicht besser als die Realität sein.
Mein Lesefazit:
Es ist das Jahr 10191. Unsere männlichen Nachkommen stürzten die Welt in einen andauernden Krieg auf der Suche nach mehr Macht und mehr Befriedigung durch die Rauschdroge. Unsere weiblichen Nachkommen sind weniger wert als eine Flasche Wasser. Kann das die Zukunftswelt unserer Träume sein?
Es ist nicht einfach, sich mit den schwierigen Themen am Beispiel heutiger Geschehnisse zu beschäftigen. Wenn das Gleiche allerdings in eine sehr weit liegende Zukunft übertragen wird, fällt es uns leichter, sich die Frage “Was wäre wenn?” zu stellen, die Themen um das Leben und den Tod, das Gute und das Böse zu reflektieren und sich für eine bestimmte Seite in jeder Situation zu entscheiden. Genau das bietet Herbert uns mit Dune an.
Im Vergleich zum Filmist das Buch weniger langatmig. Es ist sehr spannend, die Charaktere auf ihrer Reise durch Arrakis zu begleiten. Von mir ist es eine absolut empfehlenswerte Lektüre, um sich vom Tag abschalten zu können.
