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Innovation requires articulation: Der Musk-Algorithmus

Wenn Walter Isaacson eine Biographie schreibt, dann ist diese Person entweder bereits tot oder dem Tode geweiht ist. Okay, das war jetzt ein sehr schlechter Witz. Und dennoch ist Elon Musk im Moment die einzige lebende Person, über welche Isaacson eine umfangreiche Biografie verfasste.

Musk ist eine sehr umstrittene Person, die durch kontroverse Handlungen regelmäßig von der Presse beklatscht wird. Marihuana-Zug bei Joe Rogan, Waschbecken-Affäre in der Twitter-Zentrale, exzentrisches Beschimpfen von abtrünnigen Werbekunden von X: das sind die News, die mir zu Musk sofort einfallen.

Die Nächte auf den Böden seiner Tesla-Fabriken, die Startrampen für Raketen „aus dem Müll“ und die Hintergründe der Familienplanung (Musk hat neun Kinder mit verschiedenen Frauen) blieben unbekannt.

Wahrscheinlich hatte Musk eine Biografie von einem Meisterbiografen bitter nötig. Walter Isaacson gelang es, die Taten von Musk in das richtige Licht zu rücken. Seine Biografie wird immer noch in jedem zweiten Business-Podcast bewundert und bejubelt. Zumindest in Deutschland: im Land, das von einem Macher- zu einem Manager-Land geworden ist, und das solche Macher wie Musk braucht.

In seinem Buch “The Innovators” schreibt Isaacson über die Superkraft der Programmier-Pionierin Grace Hopper: die Fähigkeit, mit unterschiedlichen Zielgruppen in ihrer Sprache zu sprechen. Jede Innovation braucht Kommunikation (ENG: ”Innovation requires articulation”). Die Grundlagen seines Innovationsansatzes formulierte Musk im folgenden Algorithmus, der auch in der Entwicklung digitalen Produkte sinnvoll eingesetzt werden können.

1. Hinterfrage jede Anforderung

Jede Anforderung in der Produktentwicklung starten wir mit “Warum?”. Von unseren Nutzern und Stakeholdern erhalten wir zwar einen sehr wertvollen Input, sollten aber jeden Vorschlag unter die Lupe nehmen. Eventuell kann diese Anforderung später umgesetzt werden.

2. Lass so viele Teile wie möglich weg und streiche unnötige Prozesse

Dieses Prinzip ist im Einklang mit dem MVP (Minimum Viable Product). Es ist immer einfacher, etwas hinzuzufügen, als wegzunehmen. Daher sollte unser Fokus immer auf den Kernfunktionalitäten liegen, auch wenn wir schon außerhalb der MVP-Phase sind. Für “das Feuerwerk” können wir uns auch später Zeit nehmen. Ein Tesla ist übrigens voll mit den so genannten “easter eggs”.

3. Vereinfache und optimiere

Bei der iterativen Produktentwicklung befinden wir uns im Prozess des kontinuierlichen Refinements von Anforderungen. Ist das MVP vorerst fertig, sollte es ähnlich weiter gehen: nur die absolut nötigen Prozesse und Funktionalitäten sollten zum Produkt hinzugefügt werden.

4. Verkürze die Zyklusdauer

Die Geschwindigkeit ist sehr wichtig in der Entwicklung (digitaler) Produkte. Jemand, der mit dem eigenen Produkt schnell am Markt ist, kann prüfen, ob der Markt es überhaupt braucht.

5. Automatisiere

Nach Musk sollte der Algorithmus immer exakt in dieser Reihenfolge durchgeführt werden. Nach seinem eigenen Bekenntnis automatisierte er bereits viel zu viele Prozesse, auf welche er eher verzichten konnte. Die Automatisierung in der Produktentwicklung betrifft eher die Auslieferungsphasen (Implementierung, Testen, Deployment). Sind die Anforderungen vorab nicht eindeutig klar oder nicht durch den Markt validiert, wird das Investment in die eigentliche Entwicklung verschwendetes Geld sein.

Diesen Algorithmus formulierte Musk bereits zu seinen Tesla-Zeiten. In den frühen 2000ern definierte er seine ersten Prinzipien, die den Geist seines Unternehmens in der damaligen Phase und auch den Geist der Zeit widerspiegeln. Für ein Start-Up-Vorhaben sind sie auch 20 Jahre später gültig:

  • Hinterfrage jeden einzelnen Kostenpunkt
  • Sei von Dringlichkeit besessen
  • Lerne durch Fehlschläge
  • Improvisiere

Ich muss anmerken, dass ich die Durchsetzung dieser Prinzipien von Musk etwas zu rabiat finde. Jemand, der schon mal einen Tesla gefahren hat, konnte bestimmt die Besessenheit von Musk von dem Streichen und dem Optimieren merken. Zum Glück gibt es Sicherheitsstandards für Fahrzeuge, die auch Elon Musk befolgen muss.

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