Buchrezension,  Innovation

Künstliche Intelligenz als Chance für den Care-Sektor?

Spätestens seit dem Ende November 2022 und dem medienwirksamen Launch der ChatGPT-Anwendung wurde für die Meisten die Vorstellung von künstlicher Intelligenz (KI) zu etwas Greifbarem. Allerdings wurden wir bereits seit Jahrzehnten durch Literatur und die Filmindustrie darauf getrimmt, dass KI ausschließlich Gefahren mit sich bringt. Besonders gefährlich sollte das Stadium mit dem wunderschönen Namen “Singularität” sein, bei dem die künstliche Intelligenz die menschliche bei weitem übertreffen wird.

Aber bis die Singularität eintritt, müssen wir uns darauf einstellen, dass KI und die Automatisierung uns die Jobs wegnehmen. Somit wird uns angeblich der Sinn und die Grundlage unserer gesamten Existenz entzogen. Das prophezeiten die Unterzeichner der großen Petition, die die Entwicklungen der KI abbremsen möchten. Darüber sinniert auch der chinesische Investor Kai-Fu Lee in seinem Werk “KI 2041. Zehn Zukunftsvisionen”, welches er zusammen mit dem Storyteller Quifan Chen verfasste.

In dem Kapitel “Die Jobretter” erleben wir die Unruhen in der Welt im Jahre 2041. Unterschiedliche Berufsbilder wurden nach und nach durch die KI ersetzt. Die letzte Hochburg der alten Welt wird nun auch durch die Roboter besiegt. Die Menschen randalieren auf den Straßen oder versinken in Alkohol und Drogen.

Das Überangebot an Arbeitskräften, sollte durch die Vermittlungsagenturen abgefangen werden, die neue Stellen bzw. Umschulungsangebote anbieten. Diese Stellen und Angebote sind für die meisten Menschen in der Geschichte nicht befriedigend und sinnvoll.

Kurzum: In etwa zwanzig Jahren erwartet uns eine farblose, triste Zukunft, in der die meisten von uns keinen Platz mehr haben werden. Und das, weil wir uns über unsere Arbeit identifizieren können.

Das ist das Besondere an dem ganzen Buch: die Autoren beschreiben das Zusammenspiel der Menschheit und der KI in der Zukunft aus der heutigen Perspektive.

Die ominöse Generation Z behauptet immer wieder, dass sie sich über einen Beruf nicht identifizieren wollen. 2041 werden sie den Arbeitsmarkt dominieren und die nächsten Generationen groß ziehen. Werden sie tatsächlich über ihre Unterlegenheit den Maschinen trauern?

Eine weitere Besonderheit, die sich durch das ganze Buch zieht, ist der patriarchalische Blick von Autoren auf die Veränderungen, die KI mit unserer Gesellschaft anstellt. So ist der letzte Tropfen im Kampf zwischen dem Menschen und KI die Kündigungen in der Baubranche, die hauptsächlich auf die männliche Kraft angewiesen war. Eine Reihe weiterer Berufe, bei welchen mechanische Abläufe und wenige soziale Fähigkeiten gefragt werden, wurden ebenfalls von KI übernommen. Ähnlich wie die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts sollte sich die KI-Revolution mit den Optimierungen in männerdominierten Bereichen befassen. Das wird aber nicht in einem tristen Chaos enden, wie Lee und Chen schildern.

Die meisten Menschen sehen sich nach einer Aufgabe in der Gesellschaft. Diese werden viele in Berufen finden können, die zwar aktuell aufgrund der relativ schlechten Bezahlung wenig attraktiv sind, aber einen hohen Wert für die Gesellschaft haben: ErzieherInnen, PflegerInnen und SeniorenbetreuerInnen, PhysiotherapeutInnen, FriseurInnen und viele andere “Frauen-Berufe”. Die künstliche Intelligenz könnte für den Care-Sektor zu einem richtigen Booster werden.

Wenn es nach Lee und Chen geht, werden viele von uns diese Epoche sogar noch erleben.

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