
LOVED – Was Produktmarketing und Beziehungen gemeinsam haben
Das Aufbauen einer guten Beziehung ist ein Prozess der permanenten Weiterentwicklung. Es könnte mit einem aufregenden Date am Valentinstag beginnen und in der darauffolgenden Woche weitergehen. Oder sie könnte im Gegenteil aufblühen und gedeihen. In einer Beziehung reicht es nicht zu hoffen, dass man im Grunde gut genug für den anderen ist: Wir sollten ständig im Kontakt bleiben, uns anpassen und verändern und vielleicht auch manchmal übertreiben. Das trifft ebenso auf die Vermarktung eines digitalen Produkts zu: In Zeiten des Informationsüberdrusses sollten wir nicht darauf hoffen, dass ein Produkt allein für seinen Erfolg sorgt. Es braucht Unterstützung. Und das ist ebenfalls ein Prozess des permanenten Wandels.
Martina Lauchengco widmete ihr Buch LOVED, das Teil der erfolgreichen Buchreihe der Silicon Valley Product Group ist, zu der auch Inspired und Empowered gehören. Hier teilt sie ihre umfangreiche Erfahrung in den Bereichen Produktmarketing und -management bei Unternehmen wie Microsoft und Netscape. Sie bietet praktische Ratschläge für die erfolgreiche Vermarktung von Technologieprodukten und präsentiert zahlreiche Fallstudien von führenden Technologieunternehmen wie Apple, Netflix und Salesforce.
Was haben zwischenmenschliche Beziehungen und Produktmarketing gemeinsam?
1. Verliebtheit vs. echte Liebe – Hype ist nicht genug
In der Liebe wie im Produktmarketing reicht es nicht, kurzfristig Begeisterung zu erzeugen. Die Dopamin- und Adrenalinpeaks nach einem ersten gemeinsamen Abenteuerwochenende verfliegen genauso schnell wie der Effekt glanzvoller Launch-Events und Werbekampagnen.
Sich besser kennenzulernen und regelmäßig im Kontakt zu bleiben, ist essenziell für eine nachhaltige Liebesbeziehung. Im Produktmarketing ist es ebenso entscheidend, den eigenen Kunden und seine rationale und emotionale Motivation entlang des gesamten Interaktionsprozesses zu verstehen.
Martina Lauchengco beschreibt, dass erfolgreiche Produkte nicht nur durch starke Launch-Kampagnen glänzen, sondern durch langfristige Kundenbindung. Analog dazu ist in Beziehungen das erste Kribbeln schön, aber wahre Liebe entsteht durch anhaltende Aufmerksamkeit und Pflege. In jeder Phase einer zwischenmenschlichen oder produkt-menschlichen Beziehung gibt es eigene Wege, um die Beziehung zu stärken. Mal könnte es ein handgeschriebener Brief auf hochwertigem Papier sein (vom Liebsten oder vom Unternehmen), mal ein Geschenk (ein selbstgemaltes Porträt oder ein kostenloses Drei-Tage-Trial für die Premium-Version des Produkts).
2. Eigene Aktivitäten für jede Phase in einer (Produkt-)Beziehung
Ein Brautkleid am Anfang einer Beziehung zu kaufen, wäre genauso unnötig wie ein komplexes Sales-Support-Tool für ein B2B-Produkt mit gerade drei Sales einzuführen. Basierend auf dem Reifegrad jedes Produkts bietet die Autorin Pläne mit den jeweils notwendigen Marketing-Aktivitäten.
3. Produkt-Markt-Fit ist wie das perfekte Match
Natürlich wäre es mal nett, mit einem wie James Dean oder Angelina Jolie aussehenden Date in ein schickes Restaurant zu gehen. Um eine Beziehung mit dieser Person dann führen zu können, gehört schon etwas mehr dazu: ähnliche Werte und Interessen als das Mindeste.
Nicht jeder ist für jeden gemacht – das gilt für Beziehungen genauso wie für Produkte. Häufig bekommt man von Kunden auf dem Markt signalisiert, dass sie ein bestimmtes Produkt gern nutzen würden (Ein Date? Warum nicht?). Zwischen dem Nutzungswunsch und der Kaufabsicht (eine Beziehung fürs Leben?) gibt es häufig eine Lücke.
Eine der Aufgaben im Produktmarketing besteht darin, die Kundenbedürfnisse im aktuellen Marktkontext nachvollziehen zu können. Und da sich der Markt für digitale Produkte und auch das eigene Produkt im ständigen Wandel befinden, sollte die (Re-)Validierung des Produkt-Market-Fits immer wieder aufs Neue geprüft werden. Die Autorin stellt ihren Lesern hier eine solide Toolbox zur Verfügung. Theresa Torres’ Buch Continuous Discovery Habits hilft dabei, kontinuierliche Anpassungsprozesse für Produkte zu etablieren.
So ist es auch in einer Beziehung: Sie könnte schon daran leiden, wenn einer der Partner aufs Gewicht achtet (achten muss) und der andere gerade Tortenbacken als Hobby für sich entdeckt. (Da könnte vielleicht eine zuckerfreie Alternative den Paar-Fit noch retten.)
Laut Lauchengco müssen Produkte exakt auf die Bedürfnisse der Zielgruppe abgestimmt sein. Sonst bleibt es ein kurzes Strohfeuer statt echter Liebe. Ich persönlich vermisse nach dem Wechsel von Android auf iOS einige Funktionalitäten. Allerdings weiß ich, dass sie eines Tages doch noch released werden könnten. Solange deckt ein iPhone meine Kommunikationsbedürfnisse genauso gut wie ein Samsung-Smartphone – und das reicht für unsere Beziehung.
4. Storytelling schafft emotionale Verbindung
Menschen verlieben sich nicht nur in Menschen, sondern auch in die Geschichten rund um diese Menschen. Ein Blumenstrauß von der Tankstelle kann missverstanden werden. Wenn man aber einen feuerroten Blumenstrauß, der die Liebesstärke ausdrücken soll, nach einer langen Sichtung von pastellfarbenen Tönen bei exquisiten Floristen in der ganzen Stadt nur an der Tankstelle findet, ist es schon eine ganz andere Geschichte.
So ist es mit Produkten: Man kann sich nicht darauf verlassen, dass potenzielle Kunden den Wert eines Produkts von selbst erkennen. Es muss eine Geschichte geben, die eine emotionale Bindung zwischen Produkt und Kunde herstellt.
5. Retention schlägt Acquisition – Kunden wie Partner wollen Wertschätzung
Eine erfolgreiche Beziehung ist mit einem Zeitinvestment verbunden: Sie braucht kontinuierliche Aufmerksamkeit. Ein Geschenk zum Jahrestag oder ein Date, wenn man „etwas gutmachen muss“, reichen nicht aus, um eine Beziehung langfristig stabil zu halten.
Im Produktmarketing sieht es leider oft ähnlich aus: Manche Unternehmen investieren zu viel in Neukundengewinnung und zu wenig in Bestandskundenpflege. Als Kundin eines bekannten deutschen Online-Shops werde ich regelmäßig von einer Seite zur anderen mit Retargeting-Werbung verfolgt.
Dabei verdienen gerade die bestehenden Kunden laut Martina Lauchengco besondere Anerkennung dafür, dass sie dem Produkt treu sind. Sie können durch ihre Stimmen neue Kunden von den Vorteilen des Produkts überzeugen.
Ein Markenshop, dessen treue Kundin ich schon seit mehreren Jahren bin, schickt mir zum Anfang jeder Saison einen Gutschein zu und zwischendurch noch Infos zu Basics, die ich bestimmt mal nachkaufen möchte, oder Gutscheine für Kinderkleidung. Einer kümmert sich um mich, und der andere verpulvert bloß das Geld. Wie im echten Leben! Ihr dürft raten, wer den Zuschlag bekommt.
Fazit
Egal ob in der Liebe oder im Produktmarketing – oberflächlicher Glanz reicht nicht. Wer nachhaltig begeistern will, muss echte Werte bieten, authentisch kommunizieren und sich um seine „Bestandskunden“ kümmern.
Und noch mehr wertvolle Erkenntnisse aus LOVED
Das Buch von Martina Lauchengco bietet noch viele weitere hilfreiche Tools und beantwortet Fragen rund um die Produktvermarktung:
- Wie vermarktet man ein Produkt, das agil in kurzen Iterationen entwickelt wird und eigentlich „never done“ ist?
- Warum darf man sich bei der Entwicklung eines Produkts nicht nur auf „Innovationen“ verlassen?
- Welche Metriken helfen dabei, zu bestimmen, ob die Vermarktungsprozesse erfolgreich sind oder angepasst werden sollten?
- Wie kann das richtige Pricing ein Produkt attraktiver machen?
Alle Bücher aus diesem Artikel im Überblick







