
Paradise Garden, ein HeldInnenepos
Es gibt nicht so viele Geschichten, in welchen ein junges Mädchen ihre HeldInnenreise antritt und nach vielen Ereignissen viel weiser in einer neuen Lebensphase ankommt. “Paradise Garden” von Elena Fischer ist eine von ihnen.
Die 14-jährige Billie wohnt mit ihrer ungarischen Mutter in einer Hochhaussiedlung am Rande einer Großstadt. Anfangs ist der einzige Traum von Billie, in einen “richtigen” Urlaub zu fahren. Die Mutter von Billie, Marika, hat dagegen viele Träume: aus ihrem ungarischen Dorf auszubrechen, Balletttänzerin zu werden, nach Florida zu reisen, einfach frei zu sein. Was diese Freiheit für sie bedeutet, wird klar, sobald ihre Mutter die Geschichte betrifft und die Idylle der kleinen Familie und auch die Familie selbst zerstört.
In diesem Moment befindet sich Billie auf dem Tiefpunkt ihres Lebens. Der Totschlag ihrer Mutter wird gleichzeitig zu einem Befreiungsschlag für Billie. Die bis dahin statische Geschichte wird zu einer dynamischen und die Realität stößt an ihre Grenzen und übertritt in eine magische Welt. Nach ein paar Szenen auf einem Friedhof, in einem Krankenhaus und einem Kinderheim, bricht Billie gen Norden auf.
Plötzlich erfahren wir, dass 14-jährige Billie schon seit zwei Jahren Auto fahren kann. Sie ist eine ausgezeichnete Diebin und kann sogar großformatige Sachen aus einem Kaufhaus entwenden.
Ihr Weg führt durch einen nebeligen Wald, durch gute und böse Menschen, durch ein Schwimmbad namens “Paradise”. Auch im Norden geht es mit dem Magischen und Unrealistischen weiter. Am Ende ihrer Heldenreise trifft sie auf einen weisen Mann und findet den Weg in ihr neues Leben.
Mein Lesefazit:
Die Geschichte ist voll mit Bewegung und unerwarteten Wendepunkten. Mir war es nicht langweilig, Billie auf ihrem Weg zu begleiten. Und die Beschreibung der norddeutschen Landschaften mit ihrer wilden Natur und dem tosenden Meer konnte ich richtig genießen.
Und dennoch ist der Roman an manchen Stellen einfallslos und klischeehaft. Billies Leben ist “prekär“ und das, weil sie eine “minderwertige” Herkunft hat, in einem ”Plattenbau” wohnt und von einem “richtigen” Urlaub am Meer “träumt”. Eine amerikanische oder französische Mutter in solche Szenerie reinzusetzen, traute sich die Autorin wohl nicht. Ihre Zielgruppe, die Mittelschicht, diese 40% der deutschen Bevölkerung, die in Einfamilienhäusern wohnt und sich locker eins-zwei Urlaube im Jahr leisten kann, würde ihr die Geschichte nicht abkaufen. Wahrscheinlich war das eine rein kaufmännische Entscheidung, diese Klischees zu bedienen, um eine gute Verkaufsquote bei ihrem Leser zu finden?
Was ich auch gern verstehen möchte, ob Billies HeldInnenreise tatsächlich mit Elementen des magischen Realismus versehen wurde? Oder hat die Autorin in ihrer Geschichte tatsächlich etwas übertrieben hat?
Was du noch wissen musst
- über HeldInnenreise: Die Heldenreise: 2000 Jahre später
- über den magischen Realismus: https://de.wikipedia.org/wiki/Magischer_Realismus
