
Von Idioten und falschen Entscheidungen
Über die Jahre erarbeitete ich Kriterien, nach welchen ich Hörbücher für mich auswähle.
Auf Drama muss ich leider verzichten. Bei “Ein wenig Leben” von Yanya Nagihara konnte ich mich vor Weinen nicht mehr fangen und musste mein Lauftraining abbrechen.
Auch zu lustig darf es nicht sei. Als ich neulich eine humorvolle Geschichte von Ildiko von Kürthy in den Ohren hatte, verlor ich fast das Gleichgewicht auf der Treppe. Vor lauter Lachen konnte ich nicht mehr gerade stehen.
Ein neutrales Sachbuch, das ohne komplexe visuelle Unterstützung gut verständlich ist, gern gewürzt mit Anekdoten, die der Botschaft des Buches unterstützen, eignet sich als ein Hörbuch am besten, Es könnte eine z.B. ein populärwissenschaftliches Buch oder auch eine Biographie. Von dem 9-stundenlangen Hörbuch von Thomas Erikson mit einem auffälligen Titel “Alles Idioten?” erwartete ich einen naturwissenschaftlichen Hauch.
Thomas Erikson ist ein schwedischer Verhaltensforscher, der eine Reiher bekannter Unternehmen in Bezug auf ihre Kommunikationsstrategie beraten durfte. Als Oberstufenschüler merkte er, dass er mit manchen Menschen nicht so gut klar kommt. Menschen zu beobachten, Motive hinter ihren Handlungen zu erkennen und sie Gruppen einzuteilen, ihm durch das Leben zu navigieren und die Handlungen von anderen zu verstehen.
Nach einer desaströsen Erfahrung als 25-jähriger Berater in einem Unternehmen mit einem “komplizierten” Chef widmete er sich Verhaltens- und Kommunikationswissenschaften. Seine Beratungskonzepte basieren auf dem so genannten DISC-System, das von William M. Marston vor fast 100 Jahren entwickelt wurde. Die Abkürzung DISC steht für “Dominance, Inducement, Submission, Compliance”, die für die grundlegenden menschlichen Verhaltensmuster stehen sollten. Seine Popularität verdankt es sich einer ausschließlich positiven Darstellung menschlicher Eigenschaften. Allerdings genoss das Systems seinerzeit auch Kritik, da sie nicht ausreichend wissenschaftlich validiert wurde.
Nebenbei war Martson auch Erfinder der Comics-Figur Wonder Woman, schrieb erotische Literatur und hatte ausgefallene sexuelle Vorlieben. Wenn wir eine Person, samt ihrer Erfahrungen und hinterlassenen Artefakten als eine Ganzheit verstehen, sollten wir nun bei Mortson davon ausgehen, dass sein DISC-System wohl in seinem Schlafzimmer entstand.
Um das DICS-System noch zugänglicher zu machen assoziiert Eriskon jedes Grundverhalten mit einer Farbe und belegt mit einer Reihe typischer Eigenschaften:
- Dominance – rot und aggressiv, ambitional etc.
- Inducement- gelb und gesprächig, kreativ etc.
- Submission – grün und geduldig, entspannt
- Analytics – blau (bei Martson handelt es sich hier um Complience) und systematisch, korrekt
Zumindest in der europäischen Kultur sind diese Farben bereits mit einem stereotypischen Verhalten assoziiert. Und wenn ihr versucht, an einem Abend mit Freunden selbst nach passenden Adjektiven für jeden Grundtyp zu suchen, werdet ihr bestimmt eine passable Liste zusammenstellen können, ohne das Buch gelesen zu haben.
Zu jeden Verhaltenstyp liefert Erikson ein Kapitel zum Umgang mit diesem, gewürzt mit Anekdoten aus der eigenen Beratungstätigkeit. Er weist weist auch darauf hin, dass die meisten Menschen gemischte Typen sind und ihr Verhalten mit dem beschriebenen System nicht immer vorausgesagt werden können.
Erikson bekennt sich, dass sein Konzept nicht einzigartig ist und mehrere Parallele hat. Eine davon ist zum Beispiel die Temperamentenlehre von Plato. Außerdem gibt es Ähnlichkeiten zu der druidischen Zuordnung von Menschentypen an vier Naturgewalten. Die Parallelen zu den astrologischen Sternzeichen lassen sich auch zwischen den Zeilen erkennen.
Mein Lesefazit:
Als ich gerade in die Oberstufe kam, waren unter uns, Mädels, Tests zur Persönlichkeitsbestimmung und Horoskope sehr beliebt. Diese Phase half uns , sich selbst und andere Menschen besser zu verstehen. Bei den Jungs waren solche Heftchen verpönt. Dass ihnen ein wertvolles Wissen über die Menschen entging, interessierte sie nicht. Für mich ist das Buch von Erikson eine vergeudete Zeit und definitiv eine falsche Entscheidung. Dennoch glaube ich, dass es vor allem jungen Männern helfen würde, ihr Menschenwissen zu verbessern.
Oder sprecht bei Gelegenheit mit eurem Friseur darüber, wie sie/er ihren KundInnen einen passenden Haarschnitt im Einklang zu ihrem Sternzeichen. So kann man auch eine Menge über verschiedene Verhaltenstypen erfahren.
(Die Wonder Woman auf der Collage oben wurde hier gefunden.)

