
Was erfolgreiche Teams ausmacht: Von Fußballern, Nobelpreisträgerinnen und Hidden Potentials
Das sind also Teams, die laut Walter Isaacson und Bent Flyvbjerg bahnbrechende Innovationen hervorbringen und Megaprojekte erfolgreich umsetzen. Beide Autoren betonen die Wichtigkeit der Zielidentifikation und der klaren Zielsetzung, die vor dem Team formuliert wird.
In seinem späteren Buch „Der Code Breaker“ illustriert Isaacson diese These anhand des Beispiels von Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier. Gemeinsam erhielten sie 2020 den Nobelpreis in Chemie für die Entwicklung der CRISPR/Cas9-Technologie – einer Methode zur Genom-Editierung, die oft als „Genschere“ bezeichnet wird. Zum Zeitpunkt der Auszeichnung unterhielten sich die beiden Preisträgerinnen kaum: Nach Abschluss ihres Projekts fehlte eine gemeinsame Mission, die sie weiter verbunden hätte. Sie drifteten in ihren wissenschaftlichen Interessen auseinander und verpassten wahrscheinlich einige wissenschaftliche Fortschritte, die ihre Kooperation eventuell hätte zustande bringen können.
Bent Flyvbjerg fand in seiner Forschung heraus, dass erfahrene Teammitglieder und Teams, die seit einer längeren Zeit zusammenarbeiten, tendenziell mehr Erfolg haben. Das zeigt sich auch im Fußball bestätigen: 2014 gewann das deutsche Team den Weltmeistertitel, weil viele Schlüsselspieler (Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller, Mesut Özil, Manuel Neuer) seit über zehn Jahren sowohl im Verein als auch in der Nationalelf zusammenspielten.
Adam Grant, der Professor für Organisationspsychologie an der Wharton Business School, der bereits einige Bücher über die Motivation und Produktivität veröffentlichte, widmet sich in seinem jüngsten Buch “Hidden Potential: Die Wissenschaft des Erfolgs” der Frage, wie Teams kollektive Intelligenz in Teams freisetzen können – auch ohne Nobelpreisanwärter oder jahrelang eingespielte Mitglieder.
Seine These: die besten Teams sind diejenige, die “aus ALLEN Mitgliedern die besten Ideen herauskitzeln”. Seine Ansätze bestätigen ebenfalls die Schlüsse von Isaacson und Flyvbjerg.
Die richtige Zusammenstellung
Die Gruppenintelligenz eines Teams hängt von prosozialen Fähigkeiten jedes Mitglieds (hier und weitere zitiere ich ausschließlich aus „Hidden Potential“):
“Die besten Teams haben die meisten Teamspieler – Leute, die hervorragend mit anderen zusammenarbeiten können.”
Zwar ist es hilfreich ein paar hochbegabte Personen im Team zu haben, die schnell und im Alleingang Lösungen produzieren. Allerdings spezialisieren sich häufig solche Personen in bestimmten Bereichen, haben häufig zu schnelles, sprunghaftes Denken und verlieren voreilig das Interesse am Projekt.
Ein Team, das aus Experten in verschiedenen Bereichen besteht, bringt mehrere Perspektiven zusammen und hat größere Chancen, bahnbrechende Ideen zu entwickeln.
Die richtige Mission
Doudna und Charpentier sind ein gutes Beispiel für die Kraft der gemeinsamen Mission: Isaacson schildert ihre Beziehung als freundschaftlich zu der Zeit, als die beiden noch an ihrem Projekt gearbeitet haben. Wurde Mission beendet, ging auch ihre Beziehung verloren.
Das Team muss eine Art Verbundenheit entwickeln, um die besten Ergebnisse zu erzielen:
“Hierfür müssen die Menschen erkennen, dass sie einander brauchen, um eine wichtige Mission zu erfüllen.”
Die richtige Führungskraft
Führung bedeutet Kommunikation. Also wählen wir häufig die Person als Führungskraft, die am meisten redet und alle Diskussionen an sich reißt. Die Leistung eines Teams hängt von ihrer Proaktivität ab. Eine dominante Führungskraft kann die Motivation und die Selbstbestimmtheit von Teammitgliedern ersticken und so die Entfaltung kreativer Ideen verhindern.
Gute Teams brauchen Führungskräfte, die die Verbundenheit fördern, die Team-Mission über das eigene Ego stellen, und die anderen zum Leuchten bringen. Ihre Kompetenz ist wichtig, aber ihre prosozialen Fähigkeiten, Geduld, Mitgefühl, die Fähigkeit zuzuhören, die Stärken jedes Teammitglieds zu erkennen, helfen die Gruppenintelligenz zu entfalten und zu stärken.
Die richtige Organisation
Gruppenintelligenz beginnt mit der individuellen Kreativität. Neue Ideen in einem gemeinsamen Akt auszubrüten ist zum Scheitern verurteilt, weil
- viele Menschen Angst vor einem Ego-Verlust haben, wenn man was Dummes in Augen von anderen sagt.
- nicht jeder sich beim Lärm des Brainstormings konzentrieren kann.
- sich Menschen häufig zur Konformität gezwungen fühlen und die Ideen ihres eigenen Vorgesetzten eher unterstützen würden.
Eine Alternative zur Ideenentwicklung in Teams ist die Methode des Brainwritings. Bei dieser kann jedes Mitglied seine Vorschläge schriftlich strukturieren und erst dann vorstellen. Auch fördern Innovationswettbewerbe die Entwicklung neuer Ideen und können zudem ein weiteres Problem umgehen, das in einer hierarchisch aufgebauten Organisation existiert: Ideen von Mitarbeitern unterer Ebenen auszusieben und zu verschweigen.
Adam Grant bietet allerdings an, Systeme zu schaffen, bei denen jeder Mitarbeiter Zugang zu verschiedenen Verantwortlichen im Unternehmen findet und somit mehrere potenzielle Sponsoren für die Entwicklung seiner Ideen. Grant bezeichnet sie als “Gittersysteme”: jede Idee darf wie eine Pflanze entlang einer Ranke klettern, bis sie einen richtigen Nährboden findet, um sich weiter zu entwickeln. Dieser Anhaltspunkt sollte nach Grant die richtige Führungskraft sein:
“Starke Führungspersönlichkeiten lauschen vielen Stimmen und danken dem Boten. Große Führungspersönlichkeiten bauen Systeme, in denen alle Stimmen verstärkt und der Bote befördert wird.”
Die vier Erfolgsfaktoren – vom Fußball lernen
Warum gewann also die deutsche Elf 2014 das Weltmeisterpokal?
Weil sie alle vier Erfolgsfaktoren für ein starkes Team vereinte:
- Die richtige Zusammenstellung: Die deutsche Mannschaft bestand nicht nur aus hochbegabten Einzelspielern, sondern aus Teamspielern, die ihre individuellen Fähigkeiten zugunsten des kollektiven Erfolgs einbrachten. Und viele davon spielten bereits seit Jahren zusammen und kannten sich, ihre Fähigkeiten und Besonderheiten bestens.
- Die richtige Mission: Die Vision einer National-Elf scheint sehr offensichtlich zu sein: “Das Ding zu gewinnen”. Ich nehme aber an, dass alle Spieler von mehr als nur der Gewinn getrieben wurden. Und zwar – von der Mission, den Spaß am Fußball und generell am Sport zu verbreiten. Sie einte die Spieler über Vereinsgrenzen und Persönlichkeiten hinweg.
- Die richtige Führungskraft: Ohne dabei gewesen zu sein, kann man annehmen, dass der damalige Bundestrainer Joachim Löw das Vertrauen unter den Spielern förderte, auf Spielintelligenz statt nur auf Hierarchie setzte. Er gab jedem die Möglichkeit zu glänzen, indem er ihre Stärken erkannte und richtig aufstellte.
- Die richtige Organisation: Im DFB wurde langfristig in Talente investiert, moderne Trainingsmethoden etabliert und Raum für neue Ideen geschaffen – taktisch wie strategisch. Die kreative Entwicklung des Spiels geschah nicht nur auf dem Platz, sondern auch im System dahinter.
Kurzum, ja, die damalige National-Elf wurde von Stars besetzt, aber sie wurden zu den Stars dadurch, dass sie ihre Stärken über die Jahre im Team entfalten konnten und einander dabei unterstützen konnten.
Nicht die Stars allein gewinnen die Titel – sondern Teams, die ihre kollektive Intelligenz voll entfalten dürfen.
P.S. Die gleiche Nationalmannschaft scheiterte kläglich bei der WM 2018. Ein Beweis, dass selbst die besten Voraussetzungen nicht ausreichen, um mithalten zu können: jeder Leistungssportler muss sich früher oder später neu erfinden.
Das gleiche gilt auch für die Wirtschaft: jedes Unternehmen muss sich immer wieder neu erfinden, um von der Bühne nicht zu verschwinden, wie Kodak oder Nokia. Und die Zeit für diese Neuerfindung wird bei den aktuellen Geschwindigkeiten immer knapper:
Der Erfolg des Kataloggeschäfts von Otto Jahrzehnte. In den letzten Jahren boomte es in den Online-Regalen von Zalando. Und nun fürchten sich die beiden vor der Macht von Tiktok.
Welche Voraussetzungen müssen Teams künftig erfüllen, um mithalten zu können?
