
Wie Creative Intelligence uns zu Göttern machte
Marvel-Fans unter euch erinnern sich bestimmt an die Szene aus Infinity War, in der Dr. Strange die Zeit beschleunigt, um die möglichen Varianten der Zukunft durchzugehen. Währenddessen versucht der Rest der Truppe einen Plan zur Rettung der Welt auszuhecken. Was auf den ersten Blick wie ein Märchen aussieht, ist eigentlich eine Metapher für unsere Realität: während die einen Zukunftsszenarien ausmalen, schmieden die anderen Zukunftspläne basierend auf ihrer Vergangenheit. Florence Gaub beschäftigt sich mit verschiedenen Aspekten der Zukunft in ihrem Buch “Zukunft – Eine Bedienungsanleitung”.
Wie ist die Zukunft entstanden?
Unsere Vorstellung von der Zukunft entwickelte sich über die Jahrtausende. Während die ersten Menschen in den Tag hineinlebten, versuchten Sumerer, Babylonier, Mayas und andere Zivilisationen durch Beobachtungen und Annahmen Zukunft vorherzusagen. Durch die Verbreitung der fünf Weltreligionen wurde das Konzept der persönlichen Verantwortung für eigene Handlungen und somit für die eigene Zukunft der breiten Bevölkerung zugänglich gemacht.
Mit der Aufklärung begann die Epoche, in der die Zukunft als Ergebnis des eigenen Handelns angesehen wurde. Die Kausalität zwischen Ursache und Wirkung wurde als ein grundlegendes wissenschaftliches Prinzip verstanden, das es ermöglichen sollte, die Zukunft zu berechnen oder gar vorherzusagen. Dieses Prinzip führte auch zur Entstehung ganzer Industrien, die sich mit der Zeitplanung und dem Zeitmanagement beschäftigen. Und deren Produkte reichen von einfachen Notizbüchern, Ratgebern und Haftnotizen, über diverse ToDo-Apps und Projektmanagement-Software wie Asana und Jira bis hin zu komplexen Systemen für die Planung von Unternehmensprozessen.
Vieles in meinem privaten und beruflichen Leben würde ohne diese Produkte und Lösungen einfach nicht funktionieren.
Was wir von der Zukunft erwarten
Das Wichtigste, was wir von unserer Zukunft erwarten, ist eine positive Veränderung. Vor allem für das eigene Leben. Im Makrokontext hingegen erwarten wir oftmals einen Weltuntergang: seit Jahrtausenden werden uns die Geschichten vom Weltuntergang in verschiedenen Religionen und Medien eingeflüstert. Die Ersten führten ihre Lehrarbeit durch, die Letzten nennen das “journalistische Arbeit”.
Das Konzept der glücklichen Zukunft auf der gesellschaftlichen Ebene existierte sehr lange in Utopie-Romanen und vor allem als ein sozialistisch-kommunistischer Traum und prägte die Kulturen in der Sowjetunion, China und einigen anderen Ländern, in denen die kommunistischen Parteien regierten. Im Grunde genommen ist eine glückliche gemeinsame Zukunft eine ziemlich verpönte Idee in der westlichen Welt.
Wie wir sehen, ist unser Verhältnis zur Zukunft durch eine Spannung zwischen dem persönlichen Optimismus und der gesellschaftlichen Skepsis geprägt. Und dennoch erarbeiteten wir Techniken, die uns helfen die Zukunft zu erschaffen.
Wie wir die Zukunft erschaffen
Wenn wir planen, basieren unsere Annahmen entweder auf gemessenen Werten, wie geloggte Jira-Stunden, oder auf Heuristiken, wie “Beim guten Wetter schaffe ich die Strecke in 50 Minuten”. Unsere Planung basiert auf der Vergangenheit und ist somit nutzlos, um etwas Neues und noch nie da Gewesenes – INNOVATIVES – zu erschaffen.
In einem ihrer Podcasts pointierten Markus Lanz und Richard Precht, dass ein moderner Mensch mit einem Smartphone für jemanden aus dem Mittelalter wie ein Gott wirken würde. Dank der Symbiose zwischen Mensch und Technik in Form eines kleinen Kästchens sind wir zu allwissenden Göttern aufgestiegen und können Wunder vollbringen. Diese Wunder ermöglicht uns aber nicht die Technik allein, sondern die über Generationen entwickelte Fähigkeit, Probleme auf eine andere Art und Weise – KREATIV – anzugehen.
Kreativität ist der Weg der Innovation.
Sie ist der wichtigste Bestandteil unserer individuellen und gesellschaftlichen Zukunft, und hat laut Florence Gaub hat die Kreativität drei Bestandteile:
- Vorstellungskraft: genau das macht Dr. Strange, indem er mentale Bilder aller alternativen Zukünfte in seinem Kopf durchgeht
- Originalität: eine Abweichung von der existierenden Lösung. Häufig wird empfohlen, Lösungen aus anderen Branchen zu transferieren oder gar bei der Natur abzuschauen
- Problemausrichtung: eine gute Idee, die aber kein konkretes Problem löst, bleibt für immer eine Idee. Man denke hier nur an die Google Glass oder die VR-Brille von Meta: innovative Produkte, die kein wirkliches Problem lösen, weshalb sie die Marktreife nicht erreichen konnten.
In der digitalen Produktentwicklung sind diese kreativen Fähigkeiten der wichtigste Hebel, um die Zukunft aktiv zu gestalten und echte Innovationen hervorzubringen.
Wie wird man kreativ?
Es gibt diesen Mythos über die Kreativität als eine natürliche Gabe, die nur Ausgewählten unter uns gegeben wird. Adam Grant in “Originals” und Elizabeth Gilbert in “Big Magic” versuchen zu beweisen, dass die Kreativität wie jede Leistung eine Folge von kleinen, ordinären aber konsequent durchgeführten Schritten und richtigen Entscheidungen ist. Florence Gaub vergleicht Kreativität mit einem Muskel, den man trainieren kann, und bietet drei Vorschläge, wie man Kreativität fördern kann:
- Divergentes Denken: nach mehreren Lösungen für ein Problem suchen. Brainstorming, Brainwriting, Storytelling: Der Werkzeugkasten des kreativen Denkens bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten. Und gerade um die Menge geht es: je mehr Ideen man hat umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich wirklich gute und perspektivreiche darunter befinden
- Förderung durch Informationsvielfalt:
Je mehr ungewöhnliche Erfahrungen ein Mensch macht, desto kreativer wird er, egal es in neue Länder reisen, neuen Menschen begegnen, neue Bücher lesen oder neue Filme schauen ist.
- Ausgeglichener Gefühlszustand und allgemein ein guter physischer und psychischer Zustand: Unterdrückte oder zu intensive Gefühle, fehlender Schlaf lässt die Menschen zu stark mit sich selbst beschäftigen, rauben Energie, die man für die eigene Vorstellungskraft nutzen könnte.
Wenn wir die Zukunft gestalten wollen, müssen wir aufhören, sie nur zu planen – wir müssen sie uns vorstellen. Florence Gaub entzaubert die Zukunft als etwas Unbekanntes. Wir können die Zukunft gestalten.
Was wir dafür brauchen, ist CI – Creative Intelligence: die Fähigkeit, unsere Vorstellungskraft, unser Wissen und unsere Emotionen so zu verbinden, dass Neues entsteht – für uns selbst und für die Welt.
Sie ist es, die aus Menschen mit Smartphones Götter im Mittelalter gemacht hätte. Nicht das Gerät, sondern unsere Fähigkeit, es zu erdenken.
Die Zukunft braucht Kreativität und diese braucht kein Talent, sondern richtige Werkzeuge, Mut und Zeit sie zu entfalten.
