Zusammen Lesen in der Lichterzeit
Seit Anfang November herrschte in unserer Familie ein reges Durcheinander. Meine Kinder machten sich Sorgen die Weihnachtszeit zu verpassen:
“Bald ist Weihnachten und wir haben noch nicht geschmückt!”
“Wir müssen einen Adventskranz basteln und die Kerzen kaufen!”
“Der Stern und die Lichterkette müssen draußen aufgehängt werden!”
“Ich hole den Adventskalender aus dem Keller!”
Dabei hatten wir noch nicht mal die Gummispinnen weggeräumt, die als Halloween-Deko an der Tür hingen. Und zudem wollte ich die Weihnachtsstimmungsmacherei vorerst Drogerien und Garten-Centern überlassen.
“Lasst uns alle Weihnachtsbücher zusammensuchen, die wir haben, und wir lesen schon mal was zusammen!” schlug ich vor. Jeder suchte in seinen Regalen, sodass in 30 Minuten eine Stapel mit Geschichten entstand, die uns an die schönsten Momente zusammen erinnerten. Mit dem kleinen Drachen Kokosnuss wanderten wir durch die Schneelandschaften. Mit Findus atmeten wir den Tannenduft ein. Und mit „unserem“ Weihnachtsmann reisten wir in die Südsee.
Um die gleiche Zeit machte eine Studie der Stiftung “Lesen” in der Presse Schlagzeilen: “Jedem fünften Kind in Deutschland wird nie vorgelesen”. Diese Information ist bedenklich und lässt viele Gedanken (und auch viele Stimmen im Kopf) aufkommen. Natürlich denken wir an die Korrelationen zwischen dem Vorleseverhalten in den Familien und deren Bildungsstand. Und natürlich denken wir daran, wie wir unserem Nachwuchs schaden, wenn wir die Hörbücher vom Smartphone abspielen. Und natürlich machen wir uns viel zu einfach, wenn wir einen Toniebox ins Kinderzimmer stellen. Aber was uns als Familien vor allem entgeht, wenn sie zum Vorlesen nicht kommen, sind die wunderschönen gemeinsamen Erlebnisse. (Und außerdem ist es vorerst nur eine trockene Zahl, die nicht unbedingt der objektiven Wahrheit entspricht. Marietta Slomka hat in ihrem Buch “Nachts im Kanzleramt” sehr aufschlussreich dargestellt, wie solche “representative” Studien entstehen.)
Danach brummte das Internet tagelang mit den Buchempfehlungen und Leseinspirationen. Aber ein Buch zu kaufen, führt vielleicht zu einem einmaligen Leseabend, aber nicht unbedingt zum regelmäßigen Vorlesen. Um das Vorlesen zumindest in meiner Familie systematisch zu fördern, griff ich auf meine Idee mit Leseplakaten zurück.
Über die Nacht bastelte ich eins mit einem Adventskranz, in dem vier Bücher unter einem Rubbelsticker versteckt wurden: eins für jeden Adventssonntag. Jedes Buch hatten wir in unserer Hausbibliothek und dennoch wurde jedes freigerubbelte zu einer Überraschung.
Und was auch schön ist: wir lesen Geschichten zusammen. Mit meinem Sohn wechseln wir uns satzweise ab und meine Tochter hilft vorerst mit einzelnen Wörtern aus. Und ja, die Kinder wissen schon, was unter jeder Sticker versteckt wurde 🙂 So viel Geduld hatten die beiden nicht!

Diese Bücher sind in unserem Lesekranz versteckt:
- “Pettersson kriegt Weihnachtsbesuch” von Sven Nordqvist
- “Hilfe für die Weihnachtsmänner” von Ute Krause
- “Der kleine Drache Kokosnuss – Weihnachten auf der Dracheninsel” von Ingo Sieger
- “Eine winterliche Gutenachtgeschichte” von Elena Milkhalkova (im Original Елена Михалкова: Зимняя сказка на ночь)
Und die Lichterzeit dauert noch mindestens bis zu der Umstellung auf die Sommerzeit. Ich glaube, es folgen noch weitere Überraschungen an gemeinsamen Vorlesesonntagen.
Hier ist das Original unseres Plakats zum Herunterladen:
